Artikel aus dem Luxemburger Wort vom 17. Dezember 2018
Luxemburger Wort – Die größte offene Handelsarena
Über den größten bilateralen Handelspakt der Geschichte…
Von Christophe Hansen*
Nach einem halben Jahrzehnt der Verhandlungen haben die EU und Japan den größten bilateralen Handelspakt der Geschichte geschlossen. Er umfasst fast 40 Prozent des Welthandelswertes und 640 Millionen Menschen. In einer Welt, in der 90 Prozent des künftigen Wirtschaftswachstums außerhalb der Europäischen Union geschaffen wird, in der Twitter-Erklärungen Handelskriege auslösen und Protektionismus wieder an Bedeutung gewonnen hat, ist das EUJEPA-Abkommen zwischen Japan und der Europäischen Union beispielhaft für wirtschaftlichen Aufschwung und das Gebot der multilateralen Zusammenarbeit. Die Vereinbarung verbindet zwei der fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt, deren Waren und Dienstleistungen für die höchsten Produkt- und Verbraucherschutzstandards bekannt sind.
Ein hochmodernes Abkommen für das 21. Jahrhundert
Getrieben von der Zivilgesellschaft und der Strategie der Europäischen Kommission für Handel für alle (2015), hat sich das Gesicht des internationalen Handels gewandelt. Das EUJEPA verkörpert die Standards des 21. Jahrhunderts, wie mehrere Kapitel belegen.
- Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung. Die Bemühungen, Handel und Investitionen anzuziehen, können niemals eine Entschuldigung für Sozial- oder Umweltdumping sein. Im Gegenteil, für die EU ist Handelspolitik ein Instrument um ihre hohen Arbeits- und Umweltstandards in die ganze Welt zu exportieren. Daher enthält das EU/Japan-Abkommen ein eigenständiges Kapitel, das dem Thema Handel und nachhaltige Entwicklung gewidmet ist. Beide Parteien verpflichten sich nicht nur, ihr hohes Schutzniveau auszubauen, sondern bekräftigen auch, zum ersten Mal überhaupt in einem Handelsabkommen, ihr Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen aus 2015.
- Beispiellose Transparenz. Die Zeiten der undurchsichtigen Handelsverhandlungen gehören definitiv der Vergangenheit an. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten wurden über jeden Schritt der Verhandlungen informiert, die Verhandlungsrichtlinien des Rates wurden freigegeben und die Texte der Vereinbarung wurden zeitgleich mit der politischen Einigung veröffentlicht. Darüber hinaus wurde bewusst auf das umstrittene „Investor to State Dispute Settlement“ (ISDS) verzichtet, um potenzielle Konflikte zu lösen und durch das neue „Investment Court System“ ersetzt, um die Transparenz zu erhöhen und die Mitgliedstaaten zu schützen.
- Neue Möglichkeiten für Unternehmen, mehr Auswahl für die Verbraucher. Importzölle auf Waren werden zu 99 Prozent in der EU und zu 97 Prozent in Japan abgeschafft. Dies soll zu einem Anstieg der EU-Exporte nach Japan um 34 Prozent und umgekehrt um 29 Prozent führen. Aus anderen rezenten Handelsabkommen wissen wir, dass die großen Hoffnungen berechtigt sind. Von 2010 bis 2017 führte das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea zu einem Anstieg der EU-Exporte nach Südkorea um 77 Prozent. Nur ein Jahr nach der vorläufigen Anwendung von CETA verzeichneten wir einen Anstieg der EU-Exporte nach Kanada um sieben Prozent. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die EU-Exporte bereits 36 Millionen Arbeitsplätze in der EU sichern (in Luxemburg hängt jeder dritte Arbeitsplatz von den Exporten ab) und dass jede Milliarde Euro an EU-Exporten durchschnittlich 14 000 neue Arbeitsplätze schafft. Damit diese Gewinne realisiert werden können, sind Information, Umsetzung und Überwachung der Bestimmungen der Vereinbarung von entscheidender Bedeutung. Da es vor allem für kleinere Unternehmen eine schwierige Aufgabe ist, die neuen Chancen zu nutzen, enthält das EUJEPA zum ersten Mal ein Kapitel für Klein- und Mittelbetriebe mit Maßnahmen, die ihnen dabei helfen sollen, die neuen Absatzmöglichkeiten zu erobern.
- Insbesondere die Agrarbranche gewinnt. Da Japan der fünftgrößte Markt der EU für Exporte von Agrarerzeugnissen ist, sind die ehrgeizigen Zollsenkungen des Abkommens besonders für unsere Landwirte eine gute Nachricht. 85 Prozent der Zollabgaben für Produkte wie europäisches Rindfleisch, Schweinefleisch und Käse werden aufgehoben oder gesenkt. Auch europäische Weine werden nicht mehr mit dem hohen Einfuhrzoll von 15 Prozent belegt. Der Abbau dieser Barriere bedeutet, dass die europäischen Winzer in der Lage sein werden, mit Weinen, die aufgrund der Transpazifischen Partnerschaft (CPTPP) zum Beispiel aus Chile oder Australien bereits zollfrei in Japan eingeführt werden können, in einen fairen Wettbewerb zu treten. Japan hat sich darüber hinaus bereits verpflichtet, 205 geografische Angaben der EU zu schützen. Die Erschließung neuer Märkte geschieht niemals willkürlich, sondern immer unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten. Daher sind empfindliche Produkte wie Reis vom Abkommen ausgenommen, um den mühsamen Reisanbau in Japan nicht zu gefährden.
Die Politik der Entzweiung beenden
- Ein geopolitischer Imperativ. Japan war maßgeblich am Abschluss des umfassenden und progressiven Abkommens für die Partnerschaft mit dem Pazifikraum (CPTPP) mit elf Ländern des asiatisch-pazifischen Raums beteiligt, nachdem Donald Trump sich vom Vorläufer (TPP) distanziert hatte. Das EU-Abkommen mit Japan bedeutet, die Lücke zu schließen, die die USA im chinesischen Vorgarten hinterlassen haben und somit näher an den Asien-Pazifik-Handelsblock zu rücken, dem das größte Wirtschaftswachstumspotenzial des nächsten Jahrzehnts zugeschrieben wird.
- Unterstützung für freien, fairen und auf Regeln basierenden Handel. In den turbulenten internationalen Handelsgewässern von heute ist das Abkommen mit Japan ein Leuchtturm für einen fairen, freien, auf Regeln und Werten basierenden Handel. Die EU muss als Garant für dieses Handelsprinzip stehen. Diese Vereinbarung nicht zu ratifizieren, so wie es der linke Flügel im Europaparlament wollte, wäre verheerend für unsere Glaubwürdigkeit gewesen und hätte der „Handelspolitik“ des Donald Trump in die Karten gespielt. Nach der Abstimmung diese Woche bin ich sehr zufrieden, dass wir die nötige Mehrheit organisieren konnten, um so unseren Betrieben und Landwirten neue Absatzmärkte im Land der aufgehenden Sonne zu eröffnen, Arbeitsplätze in Europa zu sichern und eine größere Auswahl an sicheren Produkten für unsere Konsumenten zu garantieren.